Ursprung und Wirkungen von "Brehms Thierleben"
„Brehms Tierleben" - das Werk machte seinen Autor weltbekannt
In Renthendorf/Thüringen zeigte bis Anfang Juli 2020 die Brehm-Gedenkstätte
Leben, Werk und Wirkung des "Vogelpastors" Christian Ludwig Brehm (1787-1864), seines Sohnes, des "Tiervateres" Alfred Edmund Brehm (1829-1884) und von weiteren Brehms;
die Entwicklung der Ornithologie/Vogelkunde im 19. Jahrhundert,
die Erfolgsgeschichte von "Brehms Tierleben" zur Weltliteratur
und vieles andere mehr.
Am 30. August 2020 wurde das neue Museum "BREHMS WELT - Tiere und Menschen" eröffnet. Die "Ära der Gedenkstätte" ist lt. Aussage vom Leiter Dr. Süss damit beendet. Umso wichtiger das neue Buch von Willi Beer wider dem Vergessen!.
Brehm hatte sich von Anfang an daran gewöhnt, während seiner Reisen Tagebuch zu führen, sein Gedanken, Erlebnisse, Beobachtungen und Erfahrungen dem Papier anzuvertrauen. Ob bei dem 18jährigen, der Ende Mai 1847 seinen Heimatort Renthendorf in Richtung Afrika verließ, schon die Absicht oder gar der Vorsatz bestand, einmal als Schriftsteller hervorzutreten, ist ungewiß. Aber der Inhalt der vielen Notizbücher wurde zur fast unerschöpflichen Fundgrube für das "Thierleben" und andere Werke Brehms, natürlich ergänzt durch Literaturstudium, Recherchen, Gespräche mit Gleichgesinnten und ständig neue Beobachtungen und Vergleiche.
Seine Absicht, ein umfassendes Werk der Tierkunde schreiben zu wollen, hat Alfred Brehm bereits in seiner Korrespondenz mit den Eltern und Freunden während seiner Spanienreise 1856/57 zum Ausdruck gebracht. Die Freunde aus seiner Leipziger Zeit bestärkten ihn in seinem Vorhaben und er begann mit entsprechenden Vorbereitungen.
Nicht zuletzt haben seine bereits in Renthendorf erworbenen und später ausgebauten Fähigkeiten zum erfolgreichen Jagen und geschickten Präparieren sowie die während der Afrikareise ausgeprägten organi-satorischen Fähigkeiten dazu beigetragen, auch später Geldgeber der verschiedensten Couleur zu bewegen, Brehm zu ihren Forschungsreisen einzuladen und ihm damit neue Möglichkeiten zum Wissenserwerb zu schaffen. Brehms Schirmherren ermöglichten ihm damit faktisch Studien vor Ort.
Vor seiner Leipziger Zeit 1858-1863 war Brehm schriftstellerisch überwiegend als ornithologischer Fachautor aufgetreten, was sicherlich sowohl aus den langjährigen diesbezüglichen Aktivitäten seines Vaters als auch aus seinen vielen ornithologischen Forschungs-ergebnissen der ersten Afrikareise zu erklären ist. Nun zwangen ihn aber seine Arbeit in der Schule sowie die Forderungen der Publizisten E.A. Roßmäßler ("Aus der Heimath") und E. Keil ("Die Gartenlaube"), weniger speziell, sondern mehr allgemeinverständlich und volksbildend ausgerichtet sein Wissen dem Leser mitzuteilen.
Seit 1858 schrieb Brehm für Fachorgane immer weniger, für populäre Zeitschriften immer mehr und schulte dabei seine Fähigkeit, "volkstümlich" zu schreiben.
Zweifellos brachte Brehm schon von zu Hause literarisches Talent mit, vor allem auch deshalb, weil seine Mutter Bertha Brehm geb. Reiz (1808-1877) zielstrebig darauf bedacht war, ihren Kinder die Belletristik nahe zu bringen und ihr Ausdrucksvermögen auszubilden.
Während seiner Tätigkeit als Zoodirektor in Hamburg konnte Brehm völlig ohne persönliche Kosten und Risiken fast täglich die Tiere beobachten und studieren, darunter auch etliche Arten, die er bisher noch nie in Freiheit erlebt hatte. Damit waren Voraussetzungen dafür geschaffen, daß er auch diese Tiere später aus eigener Anschauung beschreiben konnte. Weitere Tiere lernte er aus der Korrespondenz mit anderen Tiergärten Europas und auch bei gelegentlichen Dienstreisen zu ihnen kennen. Diese Aufgaben waren sogar Bestandteil von Brehms Arbeitskontrakt, ebenso die Forderung, durch möglichst umfangreiche publizistische Aktivitäten hervorzutreten, was auch seinen persönlichen Ambitionen entsprach. Dem "Thierleben" selbst war auch eine Formulierung im Vertrag gewidmet. Da das Werk seit dem 25. März 1863 angekündigt war, mußte es auch während der Hamburger Zeit weitergeführt werden. Es ist daher auch kein Zufall, daß der "Tiervater" dann die fertiggestellte erste Auflage des "Thierlebens" der Zoologischen Gesellschaft in Hamburg widmete.
Christian Ludwig, Alfred Edmund und Reinhold Brehm veröffentlichten mehrere Beiträge in der seit 1858 im Verlag Meidinger Sohn & Comp. Frankfurt am Main erscheinenden Zeitschrift "Mittheilungen aus der Werkstätte der Natur". Der Verleger Hermann Julius Meyer (1826-1909) hatte 1857 in die Meidinger-Familie eingeheiratet. Infolgedessen kam es wahrscheinlich auch zu ersten Kontakten zwischen Meyer und A.E. Brehm. Davon zeugen auch über 25 Beiträge Brehms, die zwischen 1861 und 1863 in den vom Bibliographischen Institut (BI) Hildburghausen herausgegebenen Periodika "Meyers Universum" und "Globus" erschienen. Der Verlagsvertrag über die Herausgabe des "Thierlebens" wurde allerdings schon im Jahre 1860 abgeschlossen. Brieflich wurde die Niederschrift des "Thierleben"-Manuskripts durch Brehm erstmals am 26. Oktober 1861 erwähnt. Für alle fünf Wirbeltier-Bände zeichnete der "Tiervater" persönlich als Autor verantwortlich, während der 6. Band mit dem Teil "Insekten, Tausendfüßler und Spinnenthiere" von dem Hallenser Entomologen Ernst Ludwig Taschenberg (1818-1896) und dem Teil "Krebse, Würmer und ungegliederte wirbellose Thiere" von dem Straßburger Zoologen Eduard Oscar Schmidt (1823-1886) bearbeitet wurde. Schmid war 1853/55 an der Universität Jena einer von Brehms Lehrern gewesen.
Natürlich hatte Alfred Brehm für sein "Thierleben" auch gewisse konzeptionelle Vorbilder zu Rate gezogen und sich aus der bisher erschienenen diesbezüglichen Literatur auch mehrere bevorzugte Quellen heraus-gesucht. So erkennt man Einflüsse des Werkes "Versuch einer vollständigen Tierseelenkunde" von Peter Scheitlin (Stuttgart 1840). Gern und oft zitierte er den Amerikaner J. Audubon (1785-1851), die Engländer J. Gould (1804-1881), A.R. Wallace (1823-1913) und T. Jerdon (1811-1872), seltener C. Darwin (1809-1882). Neben oftmaligem Verweis auf antike Autoren wie Plinius, Aristoteles, Aelian, Strabo, Herodot, Martial, Diodorus Siculus griff Brehm auch oft zu Textauszügen aus Werken von C. Gesner (1516-1565), während die meisten Zitate aus den Schriften der Ornithologen J.F. Naumann (1780-1857) und seinem Vater, Christian Ludwig Brehm (1787-1864) stammen. Weitere wichtige Quellen waren für Brehm Gespräche mit Personen seiner Familie und seines unmittelbaren Umfeldes sowie Mitteilungen seiner vielen Briefpartner, wozu u. a gehörten: sein Bruder Reinhold, Kronprinz Rudolf von Österreich, der Geraer Gymnasialprofessor K.T. Liebe, der Vogelzüchter E. zur Linden, der Java-Botaniker J.K. Hasskarl, der Ägyptologe J. Dümichen, der Schweizer Alpenfaunist G.A. Girtanner, der deutsche Ornithologe E.F. von Homeyer … „Brehms Thierleben“ war nicht nur in der Verbreitung ein Volksbuch sondern auch schon in seiner „Erstellung“.